Die Therapie




Die Therapie

 

Der arme Mann wirkt völlig niedergeschlagen und beunruhigt, als er gegenüber der Psychologin Platz nimmt. Er ist blass, hat tiefe Schatten unter den Augen und knetet pausenlos seine Finger. Sie fordert ihn auf, über sein Anliegen zu sprechen.

Leise, mit schmerzlichem Unterton sagt er: „Er reagiert nicht mehr auf mich. Es ist überhaupt keine Kommunikation mehr möglich. Er bleibt einfach stumm und reglos.“

Aha, denkt die Therapeutin, ein Homosexueller, die sind ja besonders empfindsam. Ich muss mich sanft an das Problem herantasten.

„Ich denke, es geht hier um Ihren Partner?“

„Ja, natürlich. Er ist mein Ein und Alles. Er weiß alles von mir, meine geheimsten Gedanken und Wünsche, meine Träume und Leiden. Und jetzt sagt er nichts mehr. Damit ist mir doch alles, was ich ihm anvertraut habe, verloren.“

„Wie lange sind Sie denn schon mit ihm zusammen?“

„Oh, viele Jahre. Sieben Jahre genau. Er hat immer alles von mir bekommen was er brauchte. Jede Neuigkeit, die auf den Markt kam, und trotzdem schweigt er mich jetzt an.“

„Wie sind Sie denn vorher miteinander umgegangen? Kam so ein Schweigen schon öfter vor?“

„Ja, manchmal, aber sehr selten. Wenn ihn ein böser Virus erwischt hatte oder so. Dafür hat man ja Verständnis. Aber das ist jetzt nicht der Fall, ich habe schon einen Spezialisten zu Rate gezogen.“

Aha, denkt die Therapeutin, ein böser Virus. Vielleicht ist der Ärmste HIV-positiv und wagt es seinem Freund nicht mitzuteilen. Vielleicht ist er fremdgegangen und wagt nicht die Wahrheit zu sagen.

„Sie sagten vorhin, alles, was Sie ihm anvertraut haben, sei nun verloren. Aber es ist doch in Ihnen, in Ihren eigenen Gedanken. Wie nahe Sie ihm auch stehen, keiner hat Zugriff auf ihr gesamtes Gedankengut.“

„Er ja. Und wenn er jetzt weiter so stumm bleibt, dann weiß ich nicht mehr, wie es mit mir weitergehen soll. Wissen Sie, ich habe Probleme, mich auf Neues einzulassen. Und ich kann auch nicht all das noch einmal mitteilen. Es fällt mir sowieso schwer genug.“

„Das brauchen Sie ja auch noch gar nicht. Niemand verlangt das von Ihnen. Wie lange geht das denn schon so mit dem Schweigen?“

„Schon gut eine Woche. Ich bin so verzweifelt. Ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr klar denken, überlege immer nur, was ich vielleicht falsch gemacht habe. Mir fällt bloß nichts ein. Wenn es wenigstens irgendeine einzige Rückmeldung gäbe. Sie können sich das nicht vorstellen, ich meine nicht mal atmen zu können, wenn das so weitergeht.“

„Das klingt gerade so, als fühlten Sie sich völlig abhängig von ihm.“

„Aber ich bin vollkommen abhängig!!!“, schreit er verzweifelt und schlägt mit der linken Faust in die rechte offene Hand.

„In solchen Fällen spricht man von Hörigkeit. Ich kenne Sie noch nicht gut genug, aber ich habe ganz den Anschein, dass Sie ihr ganzes Sein nur auf diese Beziehung orientiert haben.“

„Natürlich habe ich das! Ich komme ohne ihn nicht klar. Ich kann nicht damit leben, dass er da neben dem Schreibtisch steht und nichts sagt.“

„Er steht am Schreibtisch neben Ihnen und schweigt Sie an? Aber er wird nicht den ganzen Tag dort sein. Wenn einer in einer Beziehung in eine solche Abhängigkeit gerät, kann das für den anderen auch eine sehr große Belastung sein. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht? Warum zeigen Sie ihm nicht, dass Sie sich auch mit anderen Dingen beschäftigen können. Lesen Sie ein Buch, gehen Sie raus. Irgendwas. Etwas, das Sie nur für sich tun.“

„Aber natürlich ist er den ganzen Tag neben dem Schreibtisch. Und wie bitte soll er denn mitkriegen, dass ich ein Buch lese? Außerdem will ich kein Buch lesen. Ich will, dass er wieder funktioniert.“

„Funktioniert. Jetzt würdigen Sie Ihren Partner zu einer Sache herab. Unter genau dieser Einstellung leidet er wahrscheinlich. Und keiner kann wirklich den ganzen Tag neben Ihrem Schreibtisch stehen. Sie steigern sich da in etwas hinein.“

„Kann er nicht? Na, wo denn sonst? Soll ich ihn in den Keller stellen? Wo steht denn Ihr Computer, Frau Therapeutin? Im Garten? Natürlich will ich, dass er funktioniert. Er hat meine ganzen Daten, die Arbeit von Monaten, Tag- und Nachtarbeit. Wie soll ich das alles noch mal schreiben und berechnen? Und nun läuft er nicht, und ich bin ganz krank. Und dann meinte eben meine Freundin, es ist nicht normal, dass ich so reagiere, ich soll in eine Therapie gehen und dann einen neuen kaufen. Aber was ist dann mit den Daten, mit meinen Gedanken? Und ich will keinen neuen, ich will ihn, meinen alten vertrauten Computer.“

Das ist ja noch viel schlimmer als ich dachte, denkt die Therapeutin und versucht sich schnell eine neue Strategie zurechtzulegen.

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sehenswert
 
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