Aufstand der Zwerge

 

 

   Aufstand der Zwerge
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Gute Zeiten waren das, als die Zwerge noch still, unauffällig und brav ihre Arbeit taten. Fleißigere Helfer hätte man sich nicht wünschen können. Hatte jemand ihrer zehn oder mehr im Garten stehen, so blieb ihm selbst kaum noch etwas zu tun. Hatten sich die Hausbesitzer zum Schlafen niedergelegt, so fingen die guten Geister mit den lustigen Zipfelmützen an, munter zu werden. Mit unnachahmbarer Emsigkeit begannen sie die Wege zu ebnen, das Unkraut zu rupfen, die Beete zu wässern, den Kompost zu wenden. Sogar die Maulwürfe konnten sie fern halten, denn klein und wendig, wie die Zwerge waren, krochen sie in deren dunklen Tunnel, jagten sie mit Geheul davon und trugen kleine Steine in die alten Tunnelgänge. Traten dann morgens die Hausbesitzer vor die Tür, so konnten sie voller Stolz ihre wunderschönen Gärten genießen.

Nun aber war eine neue Generation von Zwergen herangewachsen, und die wollte von den über Jahrhunderte gültigen guten Bräuchen des Zwergenfleißes nichts wissen. Diese jungen Zwerge schimpften über die nächtliche Mühsal und das starre Herumstehen am Tage bei Regen und sengender Sonne, ohne sich rühren zu dürfen.

„Sind wir Sklaven?“, so fragte ihr Wortführer, der Zwerg Grabefroh. „Alle Nächte sollen wir schuften bis zum Umfallen, in der schmutzigen Erde herumkriechen und jede Drecksarbeit verrichten. Und was bekommen wir dafür? Bei Tage müssen wir still und stumm und dumm herumstehen, so tun, als wären wir nur tönerne Figuren, und die Haushunde pinkeln uns an.“

Die anderen jungen Zwerge nickten missmutig. Auch sie hatten dieses Schicksal satt.

Der alte Schippegut hörte vom Murren der Zwergenjugend. „Faul seid ihr, nix wie faul“, schimpfte er, „seit ewigen Zeiten haben wir Zwerge Freude an unseren Werken, und immer hat es uns gereicht, den Menschen ebenfalls Freude zu bereiten. Wir sind ein bescheidenes, eifriges Völkchen und haben nie mehr gebraucht als einen Garten, den wir hübsch und sauber halten, so, wie es die Heinzelmännchen mit den Wohnungen tun. Was wollt ihr denn? Unsere Nahrung geben die Gärten her, Wasser geben uns Regen und Rasensprenger, Werkzeug haben wir auch.“

„Aber wir wollen auch mal nachts schlafen und am Tage herumspazieren“, ereiferten sich die Jungen. „Die Menschen sind größer und stärker als wir. Sollen sie doch ihre Gärten selbst bestellen und die Spaten in die Hand nehmen.“

„Richtig!“ Die anderen Jungzwerge klatschten Beifall. „Wir wollen auch mal in den Hängematten schaukeln, im Sonnenschein auf der Wiese liegen und bei Tageslicht mit den fröhlichen Kindern spielen.“

„Ihr beschmutzt den guten Ruf des ganzen Zwergenvolkes!“, schrie Schippegut. „Ihr wollt Unmögliches! Vor den Zwergenpflichten drücken wollt ihr euch, ihr Nichtsnutze!“

Die anderen alten Zwerge stimmten ihm lautstark zu. Auf diese Weise verging eine ganze Nacht, in der die Zwerge allesamt nur miteinander stritten, statt ihr Werk zu tun. Am Morgen standen sie auf ihren angestammten Plätzen und schauten einander grimmig an. Noch war den Gärten nicht allzu viel anzusehen von ihrem Versäumnis. Doch das sollte sich bald ändern. Wenn kein Mensch sie beobachten konnte, wisperten und tuschelten die jungen Zwerge aufgeregt miteinander. Die Alten warfen ihnen bitterböse Blicke zu und drohten mit den Spaten.

Während der folgenden Nächte rührte keiner der jungen Zwerge ein Werkzeug an oder machte sich irgendwie nützlich. Stattdessen tanzten sie ausgelassen auf den Wiesen, schaukelten in Hängematten und Kinderschaukeln und aalten sich in den Liegestühlen. Nun wurden auch manche der Alten nachdenklich, schmerzten ihnen doch schon seit Jahren die Glieder von der nächtlichen Plage und täglichem Strammstehen. Stiller Neid auf die Jungen packte so manchen von ihnen, denn gern hätten auch sie mal ausgeruht oder am fröhlichen Tanz teilgenommen. Noch folgten sie Schippegut, der sie umso mehr zur Arbeit trieb, desto ausgelassener die Jugendlichen wurden. Doch eines Nachts erhob die alte Zwergin Laternchen ihre zittrige Stimme: „Sind wir eigentlich bekloppt?  Was rackern wir uns hier für die undankbaren Menschen ab. Unsere Kinder machen es richtig, wenn sie sich Spaß und Tanz und Ruhe gönnen.“

Nun war es ausgesprochen, und schon wagten auch andere alte Zwerge, ihrem Unmut Luft zu machen. „Schippegut ist ein elender Schleimer. Immer treibt er uns zur Arbeit, und keiner dankt es uns.“

„Der nächste Hund, der mich anpinkelt, kriegt den Spaten über den Kopf.“

„Richtig! Dank und Lohn wollen wir für unsere Mühe.“

„Feiern wollen wir. Der Sommer ist kurz.“

„Richtig. Und zum Dank für all den Fleiß lassen uns die Menschen auch bei Eis und Schnee im Garten stehen. Ihre Hunde und Katzen kriegen warme Plätze.“

„Wir lassen uns das nicht mehr bieten.“

Auf einmal waren alle in hellem Aufruhr, redeten und schrieen durcheinander. Schippegut stand entsetzt dabei und betrachtete die aufgeregten Gefährten. „Ihr seid alle dumm“, sagte er, „wenn wir nichts mehr tun, werden uns die Leute auf den Müll schmeißen. Und was ist dann mit eurem Spaß?“

„Das werden die nicht wagen“, hielten ihm die anderen Zwerge vor. „Zu Kreuze kriechen werden sie, wenn sie alles allein machen müssen.“

„Genau. Und wir fordern warme Winterplätze und mindestens einen Sommermonat lang Tanz und Spiel.“

Die jungen Zwerge strahlten und umarmten ihre Eltern und Großeltern. „Prima. Wir Zwerge müssen zusammenhalten. Jetzt wird gelacht und gefeiert.“

Nachdem nun schon längere Zeit nichts mehr in den Gärten getan wurde, begann überall das Unkraut zu sprießen, die Maulwürfe bauten ganze Gebirge auf den Wiesen und die Erde wurde hart und rissig, so dass nichts richtig gedeihen wollte. Wenn die Leute vor die Häuser traten, schüttelten sie die Köpfe. Wie sahen nur die Gärten aus? Die Frauen warfen den Männern vor, dass sie lieber im Gasthaus saßen, statt sich um den Garten zu kümmern. Die Männer konterten, die Frauen hätten doch Haus und Garten gewollt, und mehr Zeit hätten sie auch. So kam es überall zum Streit, bis so nach und nach ein jeder anfing, in seinem Garten Ordnung zu schaffen. Die ungewohnte Gartenarbeit ließ die Menschen stöhnen. Die Rücken, Arme und Beine taten ihnen weh, und die Hände wollten gar nicht mehr sauber werden. Wie schön war es doch früher gewesen, was war nur geschehen?

Begriffsstutzig, wie Menschen nun einmal sind, kamen sie aber nicht auf die Idee, sich liebevoller um ihre Zwerge zu kümmern. Sie wunderten sich nur, weshalb die plötzlich alles liegen ließen.

So ist es seitdem geblieben. Die Zwerge machen sich bis heute lustige Nächte in den Gärten, und die Hausbesitzer müssen sich abmühen. Doch auf den Müll haben sie die Zwerge dann doch nicht getan, denn im Stillen hofft doch ein jeder, sie würden eines Tages wieder an die Arbeit gehen. Doch so lange sie weder warme Winterquartiere bekommen, noch sich auch mal bei Tage ausstrecken dürfen, wird das nicht geschehen, sie sind mächtig ausdauernd, die kleinen Kerle mit den Zipfelmützen.

Nur die Maulwürfe sind seitdem richtig übermütig geworden, sie graben und graben. Und wenn sie mal zu besonders viel Unfug aufgelegt sind, dann werfen sie genau unter einem Gartenzwerg die Erde um, so dass er rücklings zu Boden geht.

 

Yvonne Habenicht, 2006

 


 

 

        

 
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