Lauter gute Freunde

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In der Schule hatte Berti Schwierigkeiten Freunde zu finden, so richtige, mit denen man alles machen konnte. Berti war nämlich viel, viel kleiner als alle in der Klasse, sogar kleiner als die kleine Sabrina. Das wollte was heißen, denn Sabrina hatte Mühe, überhaupt gesehen zu werden. Aber zu Hause, da hatte er einen ganz dicken Freund. Der hieß Moppo und war ein riesiger Bernhardiner. Wenn die beiden draußen nebeneinander hergingen, das sah schon ulkig aus. Daraus machten sich beide gar nichts, denn sie konnten herrlich miteinander spielen, lange herumtollen, und wenn Berti Kummer hatte, dann grub er seinen Kopf in das dichte weiche Fell und schüttete dem Freund sein Herz aus.

So rannten sie auch an diesem schönen, sonnigen Herbsttag durch den Wald, spielten Fangen und liefen dann hinaus auf die Felder, weil es da noch so schön warm war. Kaum waren sie ein Stück nebeneinander hergelaufen, da sahen sie, wie ihnen ein seltsames Paar entgegenkam. Neben einem riesigen Mann – der war bestimmt 2m groß – trabte ein ganz kleines, hellbraunes Pferd. Noch nie hatten sie einen so großen Mann und auch noch nie ein so kleines Pferd gesehen.

Sie begrüßten einander. „Wie alt bist du denn?“, fragte der große Mann, und war sehr verwundert zu hören, dass Berti schon 12 Jahre alt war. Aber ebenso hatten Moppo und Berti geglaubt, das Pferd sei ein Baby. Dabei war es schon fast 10 Jahre alt.

„Mein Pferd heißt Rico“, erzählte der Mann, „und ich gehe spazieren mit ihm, weil keiner ihn reiten kann, denn er ist viel zu klein.“

„So wie ich“, meinte Berti, „aber meinen großen Freund hier stört das gar nicht.“ Moppo bellte zustimmend.

„Ja“, wieherte das Pferd, „mich stört es auch nicht, dass mein Freund so groß ist.“

Weil es ein so schöner Tag war, der Wind leicht über die Stoppelfelder und späten Blumen strich, beschlossen sie, miteinander noch weiterzugehen und sich besser kennen zu lernen. Schnell erkannten sie Gemeinsamkeiten und freundeten sich an. Doch allzu viel konnten sie gar nicht erzählen, denn sie begegneten schon wieder zweien, die verschiedener kaum hätten sein können.

Aus dem Wald kam ein sehr dünner Hund mit struppigem grauem Zottelfell, und  neben ihm lief eine kleine Katze, rotweiß gescheckt, die mit dem rechten Hinterbein lahmte. Die zwei stellten sich den vier Freunden als Bello, der Hund, und Maunzi, die Katze, vor. Bald gaben es alle auf, über ihre großen Unterschiede zu staunen. Bello und Maunzi berichteten von ihrem traurigen Schicksal, denn der struppige Hund war ausgesetzt worden, weil er nicht schön genug war, und Maunzi wurde auf jedem Bauernhof von den anderen Katzen wegen ihres lahmen Beines fortgejagt. Doch obwohl ihr Leben mühsam war, weil sie immer sehen mussten, wie sie was zum Fressen und bei Regen einen trockenen Schlafplatz fanden, waren sie froh einander gefunden zu haben. Einer warnte den anderen vor Gefahren, sie teilten jeden Bissen, freuten sich zusammen über den Sonnenschein und trösteten einander, wenn ein Unwetter kam.

Die sechs Freunde ließen sich auf einer sonnigen Wiese nieder, denn der lahmen Katze fiel das lange Laufen schwer. Das war schon eine gemischte Gesellschaft, die da miteinander schwatzte. Das kleine Pferd lag neben seinem Herren, der selbst im Sitzen noch furchtbar groß war, der große Bernhardiner lag gemütlich ausgestreckt im Gras und an ihn kuschelte sich der kleine Berti, und ganz nebeneinander gedrückt hockten Bello und Maunzi, wobei die Katze laut und glücklich schnurrte.

Plötzlich stellte Bello die Ohren auf, Maunzi ließ das Schnurren und Moppo richtete sich in seiner respektablen Größe auf, das Pferdchen Rico blähte die Nüstern. Alle bekamen von etwas Witterung, das ihnen bisher noch nicht begegnet war. Noch war nichts zu sehen, so sehr auch der große Mann und der kleine Junge Ausschau hielten.

„Ihr irrt euch“, meinte der Mann, „ich kann doch nun wirklich weit durch die Gegend sehen, so groß wie ich bin. Da ist weit ist breit nichts. Wahrscheinlich trägt der Wind einen fremden Geruch herüber, vielleicht riecht ihr die Chemiefabrik.“

Die Tiere antworteten nicht und witterten unruhig weiter. Ja, sie wurden sogar zunehmend nervöser. Da erschienen doch auf dem Feldweg zwei kleine Gestalten, die nun in der Tat noch keiner von ihnen geschnuppert oder gesehen hatte. Ein kleines Engelchen, so richtig mit Flügeln und weißem Kleidchen. Daneben ein ebenso kleines Teufelchen mit ganz winzigen Hörnchen und einem knallroten Anzug. Das war nun doch die Höhe. Hatte man so was schon gesehen? Alle und jeder konnten sich miteinander vertragen und befreunden, aber ein Engel und ein Teufel! Unglaublich.

Die zwei Neulinge zögerten erst, dann fassten sie sich an den kleinen Händen und kamen ganz, ganz langsam auf die Gruppe zu. Fast hätte man denken sollen, sie hatten entweder vor den anderen Angst oder ihre Anwesenheit sei ihnen selbst peinlich.

Der große Mann fand als erster seine Stimme wieder: „Ja, hat man so was schon gesehen? Träume ich oder ist schon Karneval?“

„Keineswegs“, antwortete nun mit leiser Stimme das Engelchen,  „du siehst schon richtig. Auch wenn es noch nicht vorgekommen ist, aber wir haben uns angefreundet, und da mussten wir zusammen weglaufen. Dem kleinen Belzi“ – dabei zeigte es auf seinen Begleiter –„ist es doch im Himmel zu kalt und schwindlig wird ihm auch, und ich habe Angst vor Feuer.“

Die anderen sahen einander an, schüttelten die Köpfe, sahen wieder zu den Neuankömmlingen und schüttelten wieder die Köpfe. Weil Katzen für ihre besondere Weisheit bekannt sind, ging Maunzi als erste auf die zwei zu und sagte dann: „Na, wie ihr seht, könnte man doch denken wir anderen passen auch überhaupt nicht zueinander. Und doch sind wir jeweils beste Freunde. Ihr zwei seid eben auch nur ganz verschieden und doch Freunde. Also passt ihr gut in unseren Kreis. Lasst und zusammen weitergehen, es wird schon spät.“

Berti erschrak jetzt bei einem Blick auf die Uhr. Auwei, er hätte doch längst zu Hause sein müssen, und Schularbeiten musste er auch noch machen.

Der Weg wäre eigentlich nicht so weit gewesen, aber alle kamen schließlich aus verschiedenen Richtungen. Jeder hatte einen anderen Weg in Erinnerung, darum brach erst mal ein Streit über den richtigen Heimweg los, bis der große Mann entschied, dass er doch am weitesten blicken könne und somit die Richtung bestimmen wolle. Leider nutzt es nicht viel, weit blicken zu können, wenn sich schon Nebel und Dämmerung über die Felder und Wege legen, so dass alles nahezu gleich aussieht. Folglich kamen sie auf einen Weg, der zwar dem vorigen zu gleichen schien, aber es war dennoch der falsche. Nachdem sie eine Weile dem großen Mann hinterher getrottet waren, sahen sie beleuchtete Fenster und gerieten fast außer sich vor Freude. Leider waren es weder die Fenster des Dorfes, in das Berti wollte noch die des Hofes vom großen Mann. Die Fenster gehörten zu einem alten Haus mit der schwach beleuchteten Aufschrift „Gasthaus Willkommen“. Jedenfalls – so entschieden sie alle – konnte man dort nach dem richtigen Weg fragen.

Der Wirt war ein sehr dicker, alter Mann mit lustigen roten Backen, der stets lächelte. So lächelte er auch, als er die gemischte Gesellschaft sah. Allerdings war das Lächeln ein wenig erstaunt. Doch obwohl er gerade das Gasthaus zusperren wollte, ließ er sie eintreten. Gern wollte er die verschiedenen richtigen Wege erklären, sagte er, doch sie sollten sich erst einen Moment ausruhen und etwas Milch oder Kakao trinken, vielleicht etwas essen. Bei dem Wort „essen“ leuchteten die Augen von Maunzi und Bello auf. Schon deshalb brachten die anderen es nicht übers Herz, den Vorschlag abzulehnen. Notfalls, dachte Berti, mache ich die paar Hausaufgaben halt morgen vor dem Frühstück.

Nachdem der Wirt Berti und dem großen Mann eine Limonade, dem Pferd einen Eimer Wasser, Maunzi und Bello Milch und Wurst gegeben hatte, sah er zweifelnd die zwei anderen an. Was sollte man denen bringen? Er entschied sich für zwei Becher Kakao.

Maunzi hatte, wie nur Katzen dies besonders gut können, den Vorteil der Situation gleich erfasst. Hier war ein wirklich guter Mensch, der ihnen nichts tun würde. Hier wäre ein Dach über dem Kopf bei Regen und Unwetter und dem baldigen Winter. So ging sie zärtlich maunzend dem Wirt um die Beine, rieb ihren Kopf an seinen Waden und bedankte sich überschwänglich. Bello erfasste ihren Plan und sah den Wirt mit seinem treuesten Hundeblick an. Der lächelnde Wirt bückte sich, streichelte die Katze: „Na, du Kleine, hast wohl kein Zuhause? Kannst hier bleiben, wenn du Mäuse fängst. Die nagen mir alles an.“

„Gern, sehr gern“, erwiderte Maunzi, „nur leider kann ich nicht meinen treuen Freund Bello allein lassen. Er hat mich immer beschützt.“

Der Wirt sah zu dem zotteligen Hund mit den treuen Augen und nickte: „Na gut, eigentlich könnte ich einen Wachhund gut gebrauchen. Nur herausfüttern muss man ihn.“

Dagegen hatte Bello nun gar nichts und versprach, alles stets gut bewachen und auch Rauch und Feuer zu melden.

Berti sah zu dem Engelchen und dem Teufelchen hin, die traurig auf ihre Becher blickten. „Aber diese zwei“, sagte er dann, „die haben auch kein Zuhause.“

Der Wirt blickte zweifelnd zu den beiden. „Aber das sind doch verkleidete Kinder, die müssen doch irgendwo ihre Eltern haben.“

Das Engelchen schüttelte traurig den Kopf. „Nein wirklich, Kinder sind wir schon, aber eben keine, die ein Heim haben. Ich bin ein echtes Engelskind und er ein echtes Teufelskind. Wir sind neu auf der Erde. Wir sind so gute Freunde, dass wir uns niemals trennen wollen.“

Der gute Wirt vergaß direkt einmal zu lächeln. Er ging zu ihnen und besah sich die zwei genau. Er zupfte dem Engel an den Flügel, die wirklich echt zu sein schienen, desgleichen die kleinen Hörnchen vom Teufelchen.

„Donnerwetter, ja, gibt’s den so was? Also einen Engel könnte man ja vielleicht noch im Pfarrhaus unterbringen, aber ein echtes Teufelchen… Und trennen wollt ihr euch ja auch nicht. Was machen wir da nur. Ich nehme an, ihr könnt weder bellen noch Mäuse fangen, auch müsste ich euch dauernd verstecken, sonst traut sich kein Gast mehr her.“

„Wir könnten uns verkleiden. Als Menschen“, schlug das Engelchen vor. „Und es braucht wirklich niemand Angst vor Belzi zu haben. Er tut keiner Fliege was. Wenn ein Teufel der Freund eines Engels wird, so wird er einfach auch gut.“

Der Wirt hatte schon wieder sein gutmütiges Lächeln auf den Lippen. Noch einmal kratzte er sich nachdenklich hinter dem Ohr, dann nickte er entschieden. „Ach was. Kann euch doch nicht jetzt zur Nacht hinauslassen, kann euch auch nicht ohne Dach lassen, wo bald der Winter kommt. Na, bleibt halt. Es wird uns schon was einfallen. Doch ihr anderen“, wandte er sich dann an die zwei übrigen Freundespaare, „ihr solltet nun schnell gehen bevor es ganz dunkel ist und ihr euch wieder verlauft.“

Berti, Moppo, der große Mann und Rico verabschiedeten etwas wehmütig von den vier anderen Freunden. Auf jeden Fall wollten sie einander wieder treffen und nicht mehr aus den Augen verlieren. Dann machten sie sich auf den Heimweg, und diesmal verliefen sie sich nicht.

„Siehst du“, sagte Moppo zu seinem kleinen Freund Berti, „andere mögen sich auch, obwohl sie so unterschiedlich sind. Sogar Engel und Teufel können Freunde sein. Was macht es schon, ob einer klein oder groß oder sonst was ist? Wenn er ein guter Freund ist, ist das egal.“

Und Berti nickte fröhlich. „Na klar, du hast Recht. Das werde ich mal den anderen Jungen in der Schule sagen.“

„Erzähl ihnen einfach, was wir erlebt haben. Ich bin dein Zeuge. Und so einem großen Hund soll mal einer widersprechen.“

Nun wollen wir alle aber doch wissen, was aus den anderen vier geworden ist. Also, bei Maunzi und Bello war das kein Problem. Sie taten, was sie versprochen hatten und hatten dafür bei dem Wirt ein gutes Leben mit reichlich Futter. Schwieriger war es schon mit dem Engelchen und dem Teufelchen. Mit denen vollzog sich erst ganz langsam eine seltsame Wandlung. Das Engelchen verlor nach und nach, Feder für Feder seine Flügel, so dass es zwei Monate später ein richtiges kleines Mädchen war, mit blonden Locken und rosigen Wangen. Dem Teufelchen aber begann ganz fürchterlich der Kopf zu jucken, so dass es nur jammerte und jammerte. Dann waren endlich die kleinen Hörnchen abgefallen und ihm wuchsen hübsche braune Haare. Der alte Wirt kaufte ihnen neue Kindersachen und schickte sie in die Schule.

„Es sind meine Enkelchen“, sagte er. Dabei blieb es. Für den freundlichen Wirt, der aber zuvor recht einsam gewesen war, begann nun auch ein neues Leben, denn immer war was los in seinem Haus, auch dann, wenn keiner mehr im Gasthaus saß. Die Kinder spielten und jagten durch Haus und Garten, Bello sauste fröhlich bellend herum und Maunzi eroberte sich die kuscheligsten Plätze im Zimmer für ihre vielen Schläfchen nach dem Mäusefang.

Freunde aber sind sie alle geblieben, und als sie sich später im neuen Jahr alle trafen, da hatten sie einander nur fröhliche Erlebnisse zu erzählen.

 Yvonne Habenicht

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