Elfe und Kobold

 

Elfe und Kobold


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Der Frühling hatte den Wald zu neuem Leben erweckt. Aus den Knospen lugten kleine grüne Blättchen, unter den Bäumen und zwischen den Mooskissen reckten die ersten Blümchen ihre sonnendurstigen Kelche. Viele Tiere erwachten aus dem Winterschlaf und jene, die nicht geschlafen hatten, wurden munterer und fröhlicher. Das war die Zeit, wo die jungen Elfen sich auf den großen Tanz vorbereiteten. Der Frühlingstanz der Elfen war gleichzeitig die Aufnahme der kleinen in die Gemeinschaft erwachsener Elfen, die dann für lange Zeit den Wald, die Felder und die Wiesen bevölkern würden. Ihr Tanz würde Mensch und Tier das Herz weit machen.

Jeden Tag des beginnenden Frühlings übten die jungen Elfen das Tanzen, Schweben und Fliegen. Nur Valia, die kleine Elfe, hockte missmutig und traurig auf einem Mooshügel und konnte nicht am Tanz teilhaben. Valia war keine vollkommene Elfe. Zu ihrem und der Eltern Kummer hatte sie dicke Beine, von denen auch noch eines kürzer war als das andere. Sehnsüchtig sah sie den tanzenden Altersgefährtinnen zu, wissend, dass sie nie so dahinschweben konnte. Sie fand, dass eigentlich ihr Elfendasein schon vertan war, bevor es begonnen hatte.

„Dickebein, Hinkebein, kannst nicht tanzen, bleibst allein“, riefen die übermütigen Jungelfen, die tänzelnd an ihr vorüberschwebten.

Valia versuchte sich auf ihrem Mooshügel ganz klein zu machen, und dicke Tränen rollten über ihr Gesicht. Da hörte sie ein vertrautes Lachen hinter sich. Seit langem war der Kobold Tolli ihr treuer Spielgefährte, der Einzige, mit dem sie lachen konnte.

„Lass doch die dummen Mädchen“, sagte er, „komm, lass uns mit den lustigen Käfern spielen.“

Aber Valia war zu traurig zum Spielen. Sie schüttelte den Kopf: „ Lass mich in Ruhe, Tolli, es hat doch keinen Sinn.“

Und sie blieb da sitzen und weinte und weinte. Ihre Eltern waren verzweifelt.

„Wie können wir dem Kind helfen?“, fragten sie sich.

„Es gibt nur eine Möglichkeit“, meinte die Mutter, „wir müssen sie zu der Hexe bringen. Sie ist die Einzige, die vielleicht helfen kann. Sie macht doch das Unmögliche möglich.“

„Oh, und wenn es nicht klappt? Sollen wir dem Kind Hoffnungen machen, die vielleicht nicht erfüllt werden? Du weißt, dass die Hexe selten den Wünschen der anderen nachgibt. Meist tut sie, was ihr in den Sinn kommt“, wandte der Vater ein.

„Trotzdem, es ist den Versuch wert.“

Der Vater zuckte die Schultern. Wenn seine Frau, die Elfenprinzessin, sich etwas in den Kopf setzte, dann war dagegen kein Ankommen. So riefen sie Valia herbei und machten sich zu dritt auf den Weg zur Hexe. Zwei Tage und  zwei Nächte mussten sie wandern, bis sie die Höhle erreichten, in der die Hexe Amawulia wohnte.

Vor der Tür hockte eine dicke rotweiße Katze. Sie schrie und fauchte, so dass jeder die Flucht ergriffen hätte, der nicht ein dringliches Anliegen hatte. Doch die Elfenfamilie ließ sich nicht verjagen.

„Lass uns ein, Amawulia, lass uns ein! Soll dein Schaden nicht sein!“, riefen  die Eltern. Doch Valia wäre am liebsten davongerannt, besonders, als aus der Höhle die Hexe trat, die so schrecklich aussah, dass selbst Valias mutige Mutter kreidebleich wurde.

Amawulia war wohl schon 100 oder mehr Jahre alt. Ihr struppiges Haar reichte bis zum Boden, sie hatte eine riesige lila Nase und so stechende schwarze Augen, dass ihr Blick fast wehtat, wenn sie einen betrachtete. Ihre Stimme rasselte wie eine rollende Blechtonne, als sie fragte: „Was stört ihr mich beim Zauberkochen?“

Zitternd trugen die Eltern ihr Anliegen vor.

„Wenn du es schaffst, Amawulia, dass unsere Tochter schöne Beine bekommt und tanzen kann wie die anderen jungen Elfen, so wollen wir unser Leben lang alles für dich tun, was du willst. Wir tragen dir dein Holz in die Hütte, wir werden für dich tanzen, dass dir die Seele warm wird, die schönsten Waldfrüchte werden wir dir zu Füßen legen.“

Die Hexe aber besah Valia, die sich ängstlich hinter dem Vater verkrochen hatte. Sie streckte ihre knochige Hand nach ihr aus.

„Na, Mädchen, willst du das auch? So bleib zwei Tage bei mir. Dann können deine Eltern dich wiederholen. Wir werden sehen, was sich machen lässt.“

Schweren Herzens gingen die Eltern allein nach Haus. War es richtig, das Kind bei dieser furchtbaren Hexe zu lassen? Sie waren voller Sorge. So trafen sie Tolli, der gerade mit einem Eichhörnchen Fangen spielte.

„Wo ist denn Valia?“, rief er. Die Eltern erzählten ihm von ihrem Entschluss. Da ging der Kobold traurig davon. All sein Übermut war verflogen. Er hockte sich unter die große Weide am Teich und erzählte den Fröschen seinen Kummer. Seit langer Zeit liebte er die kleine Elfe über alles in der Welt. Doch, wenn sie jetzt schöne Beine bekam und tanzen konnte, wie all die anderen, so würde sie ihn bestimmt keines Blickes mehr würdigen. All seine Träume würden zu Staub und Asche werden. Nicht mehr ansehen würde sie ihn, den hässlichen Zwerg, kein Lächeln würde sie mehr für seine Spiele haben, und brächte er ihr die schönsten Blumen, so würde sie ihn nur auslachen. Nein, wenn sie wäre wie die anderen Elfen, so gab es keinen Weg mehr für ihn zu ihr.

Derweil hockte Valia ängstlich in der Hexenküche. Auf dem Herd brodelte ein stinkendes Gebräu, das ihr den Magen umdrehte. Die Hexe rührte in dem riesigen Topf. Lange Zeit verging, bis sie zu sprechen begann.

„Nun Mädchen, schöne Beine willst du haben? Ich sag dir was: du magst noch so schöne Beine bekommen, das macht nichts besser. Eines Tages wirst du eine alte Elfe sein, im Moos hocken und auf dein Leben zurückschauen. Und was wirst du dann sehen? Tanzen, tanzen, tanzen. Was ist das schon? Ich will dir mehr geben, ich gebe dir den Trank der Weisheit. Wenn alle Schönheit vergangen ist, so wirst du noch immer die Klügste von allen sein. Die Augen werden dir aufgehen, und du wirst sehen, dass auf dich viel Wertvolleres wartet als Tänze. Es wartet ein Herz aus Gold auf dich. Und nur mit viel Klugheit wirst du das sehen können. Nun trink, dies öffnet dir die Augen für das Glück.“

Sie schöpfte mit einer großen Kelle aus dem Topf die stinkende Flüssigkeit in einen Becher und reichte ihn Valia. Die wurde vor Ekel ganz grün im Gesicht, als sie die schleimige Flüssigkeit in dem Becher sah und der widerliche Gestank ihr noch intensiver in die Nase stieg.

„Niemals! Bitte nicht! Das krieg ich nie runter. Nimm es weg, lass mich gehen, Hexe“, rief sie.

„Wenn du gehst, so wirst du dein Leben lang unglücklich sein. Du wirst dummen Wünschen nachjagen und weinend auf dem Moos hocken, bis auch dein Gesicht von den vielen Tränen so hässlich ist wie keines sonst. Deine Seele wird schwarz werden und schlimmer riechen als jeder Trank, den ich bereite. Schließ die Augen und trink. Was ist dieser Moment Ekel gegen ein glückliches Leben?“

Und die Hexe setzte ihr den Becher an die Lippen und legte ihre knorrige Hand in Valias Nacken. Als Valia widerwillig den ersten Schluck genommen hatte, spürte sie, dass diese Hand zart und liebevoll war, und sie gab sich in die Macht der alten Hexe. Sie trank den Becher restlos leer und kämpfte tapfer gegen den Wunsch, das eklige Gebräu gleich wieder auszuspucken.

Da spürte sie, wie ihr Herz weit wurde. Die Hexenbehausung, die ihr zuvor so viel Furcht eingejagt hatte, erschien ihr gemütlich und traut. Sie sah hinter dem hässlichen Anblick der Hexe deren Weisheit und Liebe. Sie wusste plötzlich, dass Amawulia all ihre langen Lebensjahre vielen Tieren, Geistern, Menschen geholfen hatte und nun auch ihr, der kleinen Elfe.

Sie stand auf und ging in der Küche umher, voller Neugier für all die Kräuter und Getränke, die Wurzeln und Rinden, die dort bewahrt waren. Dann ging sie zu Amawulia, ergriff deren Hände und dankte ihr für das warme Glück, das sie spürte.

Tolli aber hatte sich auf den Weg gemacht. Hüpfend und rennend hatte er kein Auge für die lustigen Vögel, die glänzenden Käfer, die ihm froh zuwinkenden Farne. Er wollte die Hexenhöhle erreichen, bevor die Hexe seine Valia zu einer Elfe wie alle Elfen gemacht hatte. Er sah nur sie vor sich, seine geliebte Valia, die er, würde sie tanzen können wie die anderen, verlieren würde. Dornen zerkratzen sein Gesicht, voller Ärger, weil er keinen Schabernack machte, wie es sich für einen Kobold gehörte. Zornige Brennnesseln röteten seine Hände. Doch Tolli  spürte all dies nicht. Er dachte nur daran, so schnell wie möglich zu Valia zu kommen und sie aus der Hexenhöhle zu befreien. Ins Heim der Kobolde würde er sie führen. Dort würde sie die Schönste von allen sein. Täglich Späße würde er machen, nur um sie zum Lachen zu bringen. Die schönsten Blumen würde er ihr jeden Tag zu Füßen legen…

Fast hatte er den Felsen erreicht, in dem Amawulia lebte, da erblickte er Valia. Sie humpelte wie eh und je, doch auf ihrem Gesicht lag ein Strahlen, das sie schöner machte als die Sonne.

Sie ist schöner denn je, dachte der kleine Kobold, sie wird mich auslachen, wenn ich es wage, ihr meine Liebe zu gestehen. Sie ist die schönste Elfe auf der ganzen Welt, und ich bin nichts als ein blöder, alberner Zwerg.

Doch Valia hatte ihn schon zwischen den Bäumen erblickt, bevor er sich dort verstecken konnte, weil ihn doch gänzlich der Mut verlassen hatte.

„Tolli!“, rief sie, „lieber Tolli, du holst mich ab? Wie schön!“

Und sie streckte ihre zarte,rosa Elfenhand nach ihm aus. Sie konnte sehen, was die Hexe ihr prophezeit hatte. Dort war das Herz aus Gold, das sie nie enttäuschen würde, das sie geliebt hatte, seit sie ein kleines, humpelndes Elfenkind war. Sie wusste, dass mit ihm ein Leben voller Frohsinn, Übermut und Glück vor ihr lag. Wie dumm war sie gewesen, nur tanzen zu wollen mit den anderen Elfen, wo sie doch viel mehr vor sich haben konnte als nur Tanz.

So hüpften sie Hand in Hand durch den Frühlingswald. Die Vögel sangen ihre Hochzeitslieder, die Käfer summten fröhlich um die Köpfe des äußerlich so ungleichen Paares. Valia und Tolli aber hatten nur Augen und Ohren füreinander. So erreichten sie den Elfenhain, wo Valias Eltern enttäuscht feststellten, dass ihr Kind noch immer humpelte. Dann aber sahen sie das Strahlen und das Glück auf Valias Gesicht, und sie wussten, dass ihre Tochter ein gutes Leben haben würde.

Valia und Tolli bauten sich ein Haus, bunt genug für einen Kobold und hoch genug für eine Elfe. Ihre Kinder waren kleine, wunderschöne und fröhliche Waldgeister. Doch ein jedes Jahr im Frühling machte sich die ganze Familie auf den Weg zu Amawulia, der Hexe. Sie brachten ihr Blüten, Knospen, Wurzeln und Kräuter als Dank, dass sie Valia sehend gemacht hatte für das Glück.

Yvonne Habenicht

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